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Mein zweites Jahr mit Diabetes Typ 2

Wie schnell doch die Zeit vergeht.

Und schwupps ist wieder ein Jahr vorbei. Trotzdem ist viel passiert und ich habe wieder einige neue und interessante Erfahrungen machen dürfen. Es gab Höhen und Tiefen. Erfolge und Niederlagen. Freude und Trauer. Doch lest selbst was in meinem zweiten Jahr mit Diabetes Typ 2 so alles passiert ist.

Schon wieder Veränderungen

Kurz nach dem Start ins neue Jahr erfuhr ich dass unser Hausarzt wohl bald in Rente gehen wird. Da er mich schon seit meiner Geburt behandelt war diese Nachricht nicht wirklich erfreulich für mich. Es drängte sich die Frage auf zu welchem Arzt ich in Zukunft gehen werde. Schliesslich fühlte ich mich 48 Jahre lang bei diesem Arzt gut aufgehoben. Da liegt die Messlatte schon ganz schön hoch. Um so schöner war dann die Nachricht dass es einen Nachfolger geben wird. Kurzerhand liess ich mir meinen nächsten Kontrolltermin beim Nachfolger geben. Der neue Arzt machte einen netten Eindruck und schien noch sehr Jung zu sein. Doch trotz seines jungen Alters ist er nicht weniger kompetent als sein Vorgänger. Das hat er im Laufe dieses Jahres mehrfach unter Beweis gestellt. Die Entscheidung, mich ab sofort vom Nachfolger behandeln zu lassen, sollte sich bald als richtig herausstellen. Im Sommer erlitt mein alter Hausarzt einen Schlaganfall und musste aufhören zu praktizieren. Inzwischen geht es Ihm wieder entsprechend gut. Allerdings wird er nicht mehr als Arzt in die Praxis zurückkehren. Er kommt ab und zu mal vorbei um nach dem Rechten zu sehen und seine ehemaligen Patienten zu bespaßen.

Was zu viel ist ist zu viel

Die Ereignisse der letzten Jahre und Monate hinterliesen tiefe Spuren ohne dass ich es direkt bemerkte. Der Verlust meines Vaters, meines Schwiegervaters und meines besten Freundes, Unstimmigkeiten am Arbeitsplatz, dessen Schliessung der Betriebstrat in letzter Sekunde gerade noch abwenden konnte und falsche Freunde trugen ebenso dazu bei, wie das Streben nach Perfektion, dass mich wieder in Deppressionen verfallen lies. An einem zu hohen Blutzuckerspiegel konnte es diesmal nicht liegen. Auch nicht daran dass ich keine Erfolgserlebnisse hatte. Was war es dann?

Der Weg ist das Ziel

Mein alter Hausarzt lag mir ja schon seit Jahren mit einer ReHa in den Ohren. Hauptsächlich sollte ich wegen meinen chronischen Rückenschmerzen dorthin. Nachdem ich im Februar dann auch noch einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte, raffte ich mich endlich auf und stellte einen entsprechenden Antrag bei der Rentenversicherung. Zu meiner Verwunderung wurde der Antrag auch ohne Probleme genehmigt. Mitte April stand dann also fest dass ich meine Sommerferien dieses Jahr von Ende Juli bis Mitte August in Bayreuth verbringen werde 🙂

Die Zeit bis zum Beginn der ReHa schien nicht vergehen zu wollen. Immer wieder kamen Zweifel auf ob ich die ReHa antreten soll oder nicht. Damals wusste ich noch nicht wie sehr die Entscheidung die ReHa doch anzutreten erneut mein Leben verändern würde. Und das wieder zum positiven.

Mit Diabetes TYP 2 zur ReHa

Anfangs hatte ich bedenken ob ich dort die für mich passende Ernährung (ungezuckert bzw. kohlenhydratarm)  und ausreichend Gelegenheiten bekomme meine Messungen ungestört durchführen zu können. Sport vor dem Essen wäre für mich nicht sinnvoll.

Zum Glück gibt es Google. Als erstes habe ich mir die Rezessionen der Klinik angesehen die mir die Rentenversicherung zugeteilt hatte. Dabei stellte sich heraus dass es in dieser Klinik eine Fachabteilung für Diabetes gab. Soll heissen, es gab von jedem Gericht auch eine zuckerfreie Variante. Sogar bei den Nachspeisen. Eher beunruhigend waren die Bewertungen bei der Unterkunft, den Ärzten und der Hygiene. Allerdings musste ich vor Ort feststellen dass wohl viele Patienten die ReHa mit einer Kur oder einem Urlaub verwechselten. Gut, das Gebäude ist ein wenig in die Jahre gekommen aber auch nicht gerade einsturzgefährdet. Auch die Ärzte wussten was sie tun und geputzt wurde auch täglich. Am Abend des erste Tages in der Klinik konnte ich langsam runterkommen und mich entspannt zurücklehnen. Alle Sorgen im Vorfeld waren völlig umsonst.

Sind Sie überhaupt Diabetiker?

Stattdessen gab es viele spassige Momente in der Klinik. Besonders witzig fand ich dieses Ereigniss:

In der ersten Woche der ReHa hat man bei mir noch ein Tagesprofil, was meine Zuckerwerte angeht, erstellt. Bei der Messung nach dem Mittagessen fragte mich die Pflegekraft ob ich überhaupt Diabetes habe. Durch die viele Bewegung und den Sport den ich dort jeden Tag treiben durfte war mein Blutzucker durchgehend unter 100. In den folgenden Wochen waren meine Zuckerwerte für die Klinik uninteressant und ich musste nicht mehr zum Mess-Apell antreten. Natürlich habe ich für mich trotzdem meine Messungen wie gewohnt weiter durchgeführt. Auch bin ich brav zur Ernährungsberatung gegangen. Somit bestätigt sich meine Erfahrung, wie sehr sich regelmäßige Bewegung auf den Blutzucker auswirkt. Dabei ist es egal was man macht, Hauptsache man bewegt sich. In meinem Fall war es zu dieser Zeit ein bunter Mix aus Spazieren gehen, Nordic Walking, Gymnastik und Muskelaufbautraining. Und genau das hab ich mir auch für die Zeit nach der ReHa, für Zuhause angewöhnt. So wird es nicht langweilig und macht zudem jede Menge Spass.

Durch die viele Bewegung und die kohlenhydratarme Ernährung während der ReHa sanken meine Blutzuckerwerte sogar unter 100 mg/dL.

Weil einfach einfach einfach ist

Während der ReHa habe  ich auch andere Diabetiker beider Typen kennengelernt und musste feststellen dass gerade bei den Typ 2 Diabetikern viele gerne den Insulin-Joker ziehen statt Ihre Lebenseinstellung und Ernährung zu ändern. Da wird dann etwas mehr Insulin gespritzt und anschliessend der Kuchen verdrückt statt einfach nach dem Kuchenessen eine kurze Sporteinheit oder einen Spaziergang anzusetzen. Die meisten davon jammern dann aber auch weil ihr jahrelang mühsam gezüchteter Schnitzelfriedhof ums verrecken nicht kleiner wird und die Waage einfach nicht ihr Freund werden will. Tja, es könnte alles viel einfacher sein….

Allerdings war diese Erfahrung ja nichts neues für mich. Schliesslich habe ich ja so ein Exemplar in der Familie.

Was mich aber ziemlich schockiert hatte waren die vielen Rollstuhlfahrer mit amputierten Unterschenkeln im Raucherbereich. Da hat man ihnen gerade ein Bein abgenommen und schon wird wieder gequarzt bis der Arzt kommt. Woher ich das weis? Ich rauchte bis dahin auch ca. eine Schachtel am Tag und verbrachte ein paar lange Abende auch im Raucherbereich.

Raus aus dem Alltag

Wegen meines Nervenzusammenbruchs im Februar und der immer wiederkehrenden depressiven Phasen in den Folgemonaten, hatte ich das Angebot der Klinik angenommen, an Einzelgesprächen mit der hauseigenen Psychologin teilzunehmen. Schon nach der ersten Sitzung hatte sie sich ein grobes Bild gemacht und riet mir dringend die Handbremse zu ziehen. Ich stand am Rande eines Burnout. 

Sie sollte mit Ihrer Diagnose Recht behalten. Denn während der ReHa waren die Depressionen wie weggeblasen. Ich hatte keinen Stress, musste mich um nichts kümmern und konnte die Seele mal so richtig baumeln lassen. Mir ging es nahezu blendend.

Kippe weg!!

Mit dieser neuen mentalen Stärke beschloss ich kurzerhand das Rauchen aufzugeben und meldete mich zum Rauchentwöhnungsseminar an. Während der ersten Sitzung erwähnte jemand das Buch „Endlich Nichtraucher“ von Allen Carr*. Noch am selben Abend lief ich in die Stadt und besorgte mir das Buch bei Thalia*. Wieder zurück in der Klinik rauchte ich noch eine mit den anderen Patienten und ging dann auf mein Zimmer. Die nächsten Tage vermisste man mich schon im Raucherbereich da ich schnellstmöglich das Buch zu Ende lesen wollte. Geraucht habe ich in dieser Zeit eh schon fast nicht mehr, obwohl der Autor sogar empfielt während des lesens weiter zu rauchen und erst zum Abschluss ganz aufzuhören. Nachdem ich das Buch gelesen hatte rauchte ich noch ein paar Zigaretten und ging dann mit dem Vorhaben, ab dem nächsten Tag nicht mehr zu rauchen, ins Bett. Und genau so habe ich es durchgezogen. In den ersten zwei Wochen war es schon ein wenig hart, weil man ständig über das Rauchen nachdenkt und mit anderen über das Thema spricht. Aber inzwischen fühlt es sich so an als wenn ich nie geraucht hätte. Glimmstengel und Verdampfer spielen keine Rolle mehr in meinem Leben. Ich kann sogar mit Rauchern in der Runde stehen und mich mit ihnen unterhalten ohne das Verlangen nach einer Zigarette zu bekommen. Meine Frau hat zwei Wochen später auch aufgehört und wenig später auch mein bester Freund und dessen Frau.

Endlich Nichtraucher“ von Allen Carr gibt es übrigens auch als EBook*, Hörbuch* und als Video*

 

Besser geht´s nicht…

Das wohl größte Highlight in diesem Jahr war eine E-Mail von Antje Thiel. Die Autorin des Diabetes-Blogs „suesshappyfit“ hat einen meiner Beiträge gelesen und diesen auf Ihrem Facebook-Account geteilt. Sie selbst leidet unter Diabetes Typ 1 und freute sich darüber dass es endlich einen Blog für Typ 2 Diabetiker gibt. Antje Thiel schreibt für diverse Fachverbände und hat sogar schon ein eigenes Buch veröffentlicht. Kürzlich hat sie auch den Medienpreis der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) in der Kategorie „Online“ gewonnen. Für einen Artikel zum Thema Motivation durfte ich kürzlich als Interviewpartner für Antje fungieren. Sobald bekannt ist wann der Artikel erscheint werde ich euch natürlich informieren und hier verlinken.

Weniger ist mehr

Kurz nachdem ich wieder zuhause war und mich der Alltag wieder eingeholt hatte, kamen auch die depressiven Phasen ein Stück weit zurück. Nicht mehr so häufig und so intensiv, aber sie sind da. Glücklicherweise fand ich kurzfristig eine Therapeutin, in der Nähe meines Wohnorts, die auch noch freie Termine hatte. Normalerweise finde ich Arztbesuche und ähnliche Termine eher lästig. In diesem Fall aber habe ich die Möglichkeit zu Fuß zu gehen und mich so vor und nach den Gesprächen auf mich zu konzentrieren und etwas runter zu kommen. So gesehen beginnt die Therapiesitzung für mich schon 20 Minuten vor dem Termin und endet 20 Minuten nach dem Ende der Sitzung. Macht in Summe satte 100 Minuten Entspannung, alle 14 Tage. Was ich dafür aufgeben musste um die Zeit wieder einzusparen? Die sinnlosen Handyspiele die einem nichts geben aber dafür wertvolle Lebenszeit rauben und womöglich noch Geld kosten. Ja, ich kenne Personen die tatsächlich Geld für CoinMaster und Co. ausgeben.

Sport ist doch kein Mord

Anfang Oktober begann dann die ReHa-nachsorge (T-Rena). Die Einrichtung in der die Maßnahme stattfindet liegt genau auf meinem Nachhauseweg. Zwei Trainingseinheiten mit je einer Stunde sind wöchentlich angesetzt. Macht weitere 120 Minuten Entspannung pro Woche. Das ganze geht noch bis Ende Januar. Danach wird sich im Fitnesstudio angemeldet. Nachdem ich ja nicht mehr rauche kann ich mir das jetzt auch leisten.

Durch mein neues Sportprogramm hat sich mein HbA1c (Langzeitblutzucker) weiter verbessert. Bei der vierteljährlichen Kontrollmessung im November stand eine sagenhafte 5,48 auf dem Schreiben vom Labor.

Krank, aber irgendwie doch nicht

Auf anraten der Ärzte der Rehaklinik hatte ich einen Antrag auf Verschlechterung beim Versorgungsamt eingereicht. insgesamt wurde mein GDB (Grad der Behinderung) tatsächlich um 10 Punkte auf GDB 30 erhöht. Allerdings teilte man mir mit dass meine Diabeteserkrankung nicht berücksichtigen könne ohne genauer zu erläutern warum.

Scheinbar ist man der Ansicht dass mein Diabetes geheilt wurde. Warum ich es für unmöglich halte dass Diabetes geheilt werden kann habe ich bereits in einem früheren Artikel erläutert.

Ich habe direkt einen Widerruf auf den Weg gebracht. Leider liegt mir bis dato noch keine Antwort des Versorgungsamts vor. Aber ich werde euch auf dem Laufenden halten.

*Update: Auch der Widerspruch wurde abgelehnt. Um einen GDB auf Diabetes zu bekommen muss man Insulinpflichtig sein und nachweislich mindestens sechs mal täglich messen.

Es weihnachtet sehr

Zum Beginn der Adventszeit habe ich begonnen mir Rezepte für Low-Carb-Weihnachtsgebäck anzusehen. Für den Anfang sollte es etwas einfaches sein, da ich mich noch nie wirklich im Backen versucht hatte. Meine Wahl fiel deshalb auf Low-Carb-Lebkuchen. Das Rezept dazu habe ich auf Simply-Yummy.de gefunden. Für die Glasur verwende ich Zartbitter-Schokolade mit 85% Kakaoanteil. Vorzugsweise die Eigenmarke MOSER ROTH von Aldi-Süd. Die Zubereitung ist ziemlich einfach und man kann eigentlich nichts falsch machen. Das Ideale Rezept für einen Anfänger wie mich. Beim ersten Versuch wurden die Lebkuchen etwas trocken, da ich nur den Orangenabrieb in den Teig gab statt das Fruchtfleisch auch mit reinzupacken. Beim Zweiten Versuch wurden die Lebkuchen deutlich besser und auch viel saftiger. Demnächst werde ich noch weitere Low-Carb-Rezepte ausprobieren und euch von den Ergebnissen berichten. Dank kohlenhydratarmer Ernährung können wir Diabetiker uns satt essen ohne Medikamente einnehmen zu müssen. Ich hoffe für alle Diabetiker dieser Welt dass dieser Trend nie aufhört.

Fazit

Nach einem für mich sehr anstrengenden und unschönen Start ins Jahr 2019, hat sich zum Jahresende hin vieles wieder eingerenkt und normalisiert. Sogar eine Verbesserung meiner Lebensqualität konnte ich trotz Depressionen und Rückschläge für mich durchboxen. Das Nikotinmonster hat keine Kontrolle mehr über mich und ich bin seit nunmehr 5 Monaten wieder ein Stück freier. Manchmal hat eine kleine Ursache eine enorm große Wirkung. Hätte ich mich nicht für knappe zwei Stunden zusammengerissen um den Reha-Antrag auszufüllen, würde ich heute noch rauchen, hätte immer noch starke Depressionen und könnte zum Weihnachtsfest vermutlich keine leckeren Lebkuchen genießen. Was ich damit sagen will ist: Auch wenn es gerade schwer fällt, lohnt sich eine gewisse Anstrengung und wer sich öffnet, dem kann geholfen werden. Redet mit euren Ärzten und Therapeuten über eure Probleme und Ängste. Sie können euch helfen aber nicht hellsehen.

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